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Es war einmal….(Gedanken eines noch unerfahrenen Tauchers)

    …da hatte ich noch keine 35 Tauchgänge.

    TG_No.: 34 / No2 im August. 2014 / See1 / Uhrzeit: 11:00Uhr/ Tiefe: 41,2 / Dauer: 59min / Wassertemperatur: 7°C

    Mein Gott bin ich aufgeregt. Ich habe vor kurzem meinen AOWD gemacht und heute wollen wir auf 40 Meter gehen. Ohne Guide diesmal, also eigenverantwortlich. Naja wird schon klappen… .ich hoffe die neblige Sprungschicht ist heute nicht so dicht.

    Bleib locker… erst mal die ganzen Sachen zusammensuchen. So, Anzug, Schuhe, Flossen, Tauchermaske, Schnorchel soweit alles da und komplett. Atemregler, Computer, Kompass, Flasche und Taucherlampe sind auch verstaut.

    See ich komme!!

    Irgendwie hat es sich eingebürgert das ich immer den Tauchgang führe. Könnte ruhig mal mein Buddy machen… der hat ja schließlich die gleiche Erfahrung… hinterhertauchen ist gemütlicher.

    Ich merke wie sich vor lauter Aufregung und Vorfreude, während der Fahrt zum See, mein Puls beschleunigt. Ich ermahne  mich immer wieder selber „Bleib ruhig“. Wenn doch diese blöde Sprungschicht nicht wäre. Ab 12 Metern fängt es an. Das Wasser wird immer trüber, milchig passt besser. Manchmal ist die Sprungschicht dermaßen auf den Punkt, so das man z.B. vom Taucher nur den Kopf sieht, den er aus der Sprungschicht hinaushält. Der Anfang der Sprungschicht ist auch sehr faszinierend. Es gibt Schichten von vielleicht 15cm dicke in denen das Wasser Glasklar ist. Darüber neblig darunter neblig und in der Mitte kann man 8 und mehr Meter weit sehen. Einfach Faszinierend.

    Endlich am See angekommen. Mein Buddy ist auch schon da.

    Wir begrüßen uns und machen uns daran unsere Ausrüstung zusammenzubauen und zu kontrollieren. Bevor wir bei diesen Sommerlichen Temperaturen in unsere Neoprenanzuge steigen, besprechen wir noch mal unser Vorhaben:

    Ziel ist bei 270° auf 40 Meter zu tauchen, dann 90° nach links bis zu dem großen Baum, den dann umrunden, dann müssen wir schon wieder an unseren Aufstieg denken( in dieser Tiefe dürften wir uns an dem Punkt noch knapp 1 Minute aufhalten bevor wir einen Dekostopp einlegen müssten) also nochmal 40° nach links und im flachen Winkel auftauchen. „Denk an die Drahtseile die dort gespannt sind. Nicht das wir an denen hängen bleiben.“ ermahne ich noch meinen Buddy.

    Nun ist es Zeit sich in den Anzug zu quälen und ich denke schon wieder an diese doofe Sprungschicht.

    Vielleich habe ich Glück und sie ist heute nicht so ausgeprägt. Und wenn schon das sind doch nur ein paar Meter… naja so 7-8 Tiefenmeter. Das schaffe ich schon, das ist ein Klacks. Ermutige ich mich…Ähh warum mache ich das? Warum gebe ich mir den Stress mit der Sprungschicht? Ahja genau weil es ab 20 Metern, also nach der Sprungschicht, zwar stockdunkel ist aber das Wasser dafür Glasklar und dann kommt noch der riesen Baum auf 40 Metern. Das ist doch toll!! Oder??

    Die Anzüge sind an und mit dem Jacket samt Flasche, Atemregler, Taucherlampe und Blei auf dem Buckel schleppen wir uns zum Wasser. ca. 200 Meter durch den Wald.

    Im Wasser machen wir noch ne kleine Verschnaufpause. Kontrollieren nochmal alles setzen uns die Tauchermasken auf und halten unsere 2. Stufe bereit sie in den Mund zu nehmen.

    Ich muss schmunzeln. Denn jedes Mal bevor ich den Atemregler in den Mund nehme hole ich nochmal Luft, so als ob ich nun lange ohne diese auskommen müsste.

    Wir geben uns das zeichen zum Abtauchen. Endlich unter Wasser!

    Wir tauchen auf 5 Metern Tiefe richten noch das ein oder andere was uns stört und geben uns gegenseitig das OK Zeichen. Ich orientiere mich mit meinem Kompass uns tauche bei 270° die Böschung hinunter der Sprungschicht entgegen.

    10 Meter ➞ ich schaue nach rechts und sehe meinen Buddy… alles OK? OK!

    12 Meter ➞ ich bin vor der Sprungschicht… Scheiße die sieht heute extrem aus. Mein Buddy? Rechte Schulter. Ich frage. OK zum durchtauchen? Er. OK zum durchtauchen! Ich mache meine Lampe an… höchste Stufe. Ich fühle mich unwohl bei dem Gedanke in die Sprungschicht einzutauchen.

    13 Meter ➞ ich kann den Grund gerade noch so erkennen, meine Instrumente kann ich sehen. Ich bin auf Kurs und sinke weiter. Mein Buddy an der rechten Schulter? Ist da. Ich kann ihn noch schemenhaft erkennen. Mein Gefühl des Unwohlseins nimmt zu.

    14 Meter ➞ ich kann den Grund nicht mehr sehen. Ich habe jegliche Orientierung verloren! Steige ich oder tauche ich weiter ab?  Ich kann meine Instrumente gerade noch erkennen. Bin auf Kurs und sinke langsam. Meine Tauchlampe blendet mich, denn sie reflektiert das Licht an den Schwebteilchen. Ich muss die Leistung meiner Lampe reduzieren das ich wieder etwas erkennen kann. Mein Buddy ist?? Wo ist mein Buddy? Ah da sehe ich ein Licht… er ist an meiner rechten Seite. Meine Atmung geht schneller ich habe das Gefühl ich bekomme zu wenig Luft.

    15 Meter ➞ ich sehe NICHTS weder den Grund noch meinen Buddy noch meine Instrumente. Mein Buddy ist weg?! Steige ich? Ich glaube ich steige! Leichte Pannik überkommt mich. Ich lasse Luft aus meinem Jacket vor lauter Angst ich könnte wie ein Korken an die Oberfläche floppen, doch der Grund befindet sich direkt unter mir und ich setze auf. Mein Buddy Ist weg!! Meine größte Sorge. Ich habe die Verantwortung. Mein BUDDY ist weg. Ich Atme heftig. Bin am Hyperventilieren. Ich bin das absolute Gegenteil von entspannt. MEIN BUDDY IST WEG. Auf einmal spüre ich eine Berührung an meiner rechten Schulter…? Mein Buddy… er ist da! Er gibt mir das OK-Zeichen, glaube ich zumindest. Sofort beruhige ich mich. Mein Buddy lässt seine Hand an meiner Schulter. Nun weis ich genau wo er sich befindet. Mein Atem geht noch schnell aber ich werde immer ruhiger. Nun kann ich mich aufs abtauchen konzentrieren. Ich halte mir meinen Kompass und Computer vor die Tauchermaske orientiere mich und tauche weiter ab.

    19 Meter ➞ das Wasser wird klarer und ich entspanne mich zusehends. Ich sehe wieder meinen Buddy. Wir sind durch… YES… nun kommt der schöne Teil.

    20 Meter ➞ wir haben eine Sicht von guten 5 und mehr Meter. Und da ist sie die Kante, ein weiterer Highlight an diesem Tauchgang.

    Eine ca. 4 Meter hohe Steilwand die links und rechts sich einige hundert Meter entlangzieht. Sie besteht nur aus aufeinander gesetzten Kieselsteinen… wie die aufeinander halten ist mir schleierhaft.

    25 Meter ➞ ich bin unterhalb der Kante. Was wohl passieren würde wen die Kante abbricht? Ich bekomme ein beklommenes Gefühl. Ich kann nichts dagegen tun. Bilder eines Unterwasser-Tsunami  drängen sich in meine Gedanken. Wie der Kies über mich rollt und ich durchs Wasser gewirbelt werde.

    35 Meter ➞ wir sinken recht flott und haben unser Ziel von 40 Metern gleich erreicht. Es ist dunkel und kalt, 7°c,  das Wasser ist klar mit wenig Schwebteilchen. Nur unsere Lampen erhellen die Umgebung. Der Boden fällt nicht mehr so steil ab. Der Kiesboden hat schon seit der Kante dem Schlamm Platz gemacht. Es ist eintönig beige. Nein, wenn man genauer hinschaut gibt es Vertiefungen im Schlamm die wie Krater aussehen. Weises Geflecht überzieht hin und wieder  den Boden. Wenn ich es mir recht überlege könnte ich in großer höhe einen fremden Mond überfliegen. Ich sehe Blätter von Bäumen… finde ich witzig. Wie tief bin ich eigentlich? Ahh 40,5 Meter!

    41 Meter ➞ ich sinke weiter und muss nochmal ordentlich Luft in mein Jacket füllen um mich auszutarieren. Sofort bin ich mir meiner Situation wieder bewusst. Nein ich befinde mich nicht auf 41 Meter tiefe… sondern es befinden sich 41 Meter Wasser über mir!! Ich komme, falls ich ein Problem hätte nicht mehr einfach so schnell an die Oberfläche. Ich habe es geschafft und bin austariert und mein Buddy ist an meiner rechten Seite, also muss ich nun den neuen Kurs nehmen. Ähm.. wie war der nochmal?? Ich hatte den Kurs …?  270° ?! Ja und nun 90° nach links… dann muss ich den Kurs…?? Was war nochmal 270 – 90?  Hmm eine viertel Stunde nach links das hört sich besser an. Das bekomme ich hin. Ich komme bei einem Kurs von 180° raus. Sieht gut aus… könnte sogar stimmen. (Mathematische Aufgaben ab einer gewissen Tiefe nur schwer Lösen) Oh Verdammt…

    40 Meter ➞ meine Restnullzeit beträgt noch 2Minuten und kein Baum in Sicht. Bin ich richtig getaucht? Ich tauche etwas auf.

    39 Meter ➞ Meine Restnullzeit beträgt mitlerweile nur noch 1 Minuten. Da taucht er auf. Der Baum. Er ist riesig. Ich beschleunige etwas um schneller am Baum zu sein. Meine Restnullzeit im Hinterkopf. Endlich am Baum angekommen mit einer Restnullzeit von 0 Minute. Ich bin nicht mehr entspannt und denke nur noch ans auftauchen um einem Dekostopp zu entkommen, an den Baum und seine Äste. Ich hoffe ich bleibe nicht hängen das wäre jetzt der Supergau. Ich tauche etwas auf um Zeit zu gewinnen.

    37 Meter ➞ endlich haben wir den Baum umrundet und wir können auftauchen. Ich schätze den Kurs und tauche einfach mal den Hang hinauf. Nach oben ist immer gut.

    35 Meter ➞ meine Restnullzeit beträgt nun wieder 2 Minuten. Ich entspanne mich und freue mich auf das helle warme Wasser oberhalb der Sprungschicht.

    23 Meter ➞ wie sind an der Kante wieder angekommen und Tauchen ihr noch etwas entlang bevor es durch die Sprungschicht geht. Einfach fantastisch diese Aushöhlungen in der Kieswand und wie sie scheinbar der Schwerkraft trotzen.

    20Meter ➞ wir sind vor der Sprungschicht. Mein Buddy berührt mich wieder an meiner rechten Schulter. Nun spüre ich, er ist da, nun kann mich auf das durchtauchen der Sprungschicht konzentrieren.

    10 Meter ➞ Es ist hell und warm… ich fühle mich prächtig. Wir setzen unseren Tauchgang zwischen 8 und 5 Metern Tiefe fort.

    4-8 Meter ➞ Ich kann meine Lampe ausmachen wir haben eine Sichtweite von ca. 4 Meter. Das Licht bricht sich am Grund und schillert in schönen Farben. Es liegen viele Bäume auf dieser tiefe, bei denen wir durch die Äste tauchen und unsere Fertigkeit des tarieren austesten. Nach ungefähr 30 Minuten Tauchzeit gebe ich das Zeichen zum Umkehren. Wir sehen noch viele Schwärme von kleinen Barschen und Weißfischen. In einem Gestrüpp lauert auch noch ein großer Hecht den wir in unserem Übermut verscheucht haben.

    Kurz vor Ende unseres Tauchgangs treffen wir noch auf eine Rotte Karpfen die an der Stelle fast immer anzutreffen sind und so von sich überzeugt das eher der Taucher um sie herum tauchen muss als andersherum.

    Wir haben es geschafft!

    Wir sind wieder an der Oberfläche und schleppen uns zum Auto. Solche tiefen Tauchgänge machen mich immer fertig. Ich bin froh wenn ich nun zuhause mich ausruhen kann.

    Am Auto angekommen entledigen wir uns erst mal von dem schweren Equipment. Und lassen den Tauchgang Revue passieren. Wir teilen unsere Eindrücke von dem Tauchgang und finde sie recht unterschiedlich.Für mich war der Ausflug in die Tiefe Stressig. Ich hatte Ängste und Beklemmungen. Mein Buddy fand den Tauchgang fantastisch und entspannend.

    Auch mein Buddy hat mich in der Sprungschicht nicht mehr gesehen und hat sich deswegen an mich gehalten. Ich meinte nur, dass er das Beibehalten soll da es mich beruhigt und ich eine Sorge weniger habe.

    Nachwort

    Wenn man das so liest könnte man auf die Idee kommen, das mir tauchen kein Spaß macht und bei so viel Sorgen und Ängste sollte man es lieber lassen. Ein Hobby soll doch Spaß machen!

    Ja genau das Tut es auch und hat es immer getan. Es macht mir Spaß an Grenzen zu gehen und sie zu erweitern. Mittlerweile weiß ich das ich damals mit den vielen Aufgaben, Orientieren per Kompass und Computer, auf meinen Buddy aufpassen, die Verantwortung und das ungute Gefühl mit der Sprungschicht, schlichtweg überfordert war. Durch weitere Erfahrungen im Tauchen konnte ich diese Ängste ablegen. Tauchen ist immer mit neuem Lernen und Erfahrungen verbunden. Als Anfänger, so möchte ich behaupten, gibt es viele Grenzen und Erfahrungen die man meistern muss. Körperliche so wie geistige Grenzen.

    Versteht mich bitte nicht falsch, ich bin beim Tauchen kein Draufgänger: Safety first!  Mit Grenzen meine ich meine persönlichen Mentalen Grenzen. Wasser und Tauchen (ohne technisches Gerät) war schon als Kind meine Leidenschaft und dennoch war das Gerätetauchen am Anfang, so toll ich es auch fand, eine mentale Herausforderung für mich.

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