Warum tut man sich das an? Du weißt genau, was dich erwartet: Zuerst lichtdurchflutetes Wasser, dann ein dichter Schleier aus milchiger Trübe, der selbst den widrigsten Herbst übertrifft. Und dann wird es dunkel und kalt. Dunkler als eine mondlose Nacht und so kalt, dass die Haut, die dem Wasser ausgesetzt ist, schmerzlich pickst – und es geht immer tiefer.
An einer drei Meter hohen Mauer aus übereinander getürmten Kieselsteinen, einem fragilen Turm, der jeden Moment einstürzen könnte, ziehen wir im Schein unserer Lampen vorbei. Die Kälte dringt bis ins Mark, ein eiskalter Stich erinnert mich daran, wie klein und verletzlich ich in dieser unendlichen Weite bin. Die Dunkelheit drückt auf meiner Brust, als würde ein Gewicht auf mir lasten. Ich fühle mich verloren, wie ein Sandkorn in einem Sturm.
Über das Ziel hinausgeschossen stelle ich fest, dass wir schon einen Meter tiefer als 40 Meter sind. Die Luftblasen, die aus unserem Atemgerät kommen, klingen fremd und hell, wie Gläser, die in einem Schrank aneinanderstoßen. Ein Geräusch, das auf den hohen Umgebungsdruck zurückzuführen ist.
Ich erkenne eine kleine Erhöhung und hoffe, dass es die Böschung ist, die wieder nach oben führt. Bevor wir uns hilflos in dieser dunklen Einöde verirren, überprüfe ich mit meinem Kompass den richtigen Kurs. Ein Fehler wäre nun fatal, denn die Luft geht in dieser Tiefe schnell zur Neige. Auf dem Weg nach oben kommen wir an einem großen Baum vorbei, der senkrecht im Schlamm steckt und als Blätter schleimige Algen hat.
Endlich dringen wir wieder ins lichtdurchflutete Wasser ein. Die ganze Enge, Angst, Kälte und Beklemmung bleiben im Nebel zurück. Doch wo bleibt der Rausch? In der Tiefe habe ich ihn nicht gespürt! Beim Auftauchen war ich erleichtert, aber nicht berauscht. Wo ist er also?
Der Rausch der Tiefe ist kein flüchtiger Moment, sondern ein komplexes Gefüge aus Emotionen, die sich erst nach und nach entfalten. Er ist die Summe aus der Überwindung eigener Grenzen, der Ehrfurcht vor der Natur und der puren Freude am Entdecken. In jedem Tauchgang hinterlasse ich ein Stück von mir selbst und nehme ein Stück von der Tiefe mit. Und genau das macht diesen Sport so einzigartig und süchtig.